Chronische Wunden stellen eine große Herausforderung für die Gesundheitsversorgung dar. Als chronisch wird eine Wunde dann bezeichnet, wenn sie nicht innerhalb von 8 Wochen abheilt. Die Entstehung einer solcher Wunde kann vielfältige Ursachen haben und wird oft durch chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Gefäßerkrankungen sowie ein höheres Lebensalter mit einer eingeschränkten Mobilität begünstigt.
Für betroffene Patienten*innen und ihre Angehörigen stellt dies in der Regel eine große Belastung dar. Schmerzen, Einschränkung der Mobilität, unangenehmer Geruch und Wundinfekte sind oftmals mit Scham oder auch Isolation verbunden und führen im schlimmsten Fall zu Amputationen und einem stark erhöhten Risiko, früher zu versterben.
Neben dieser starken Beeinträchtigung der Lebensqualität sind chronische Wunden mit hohen Kosten für das Gesundheitswesen verbunden. Daher ist es unbedingt notwendig, Patienten*innen möglichst früh und kontinuierlich durch Ärzte*innen und speziell ausgebildete Pflegekräfte zu versorgen. Tatsächlich dauert es im Durchschnitt in Deutschland aber 3,5 Jahre, bis ein Patient mit einer chronischen Wunde eine angemessene Therapie erhält. Das Problem der Behandlung chronischer Wunden stellt ein lang bekanntes Problem dar, so dass bereits viele Studien und Konzepte zur Verbesserung der Therapie existieren.
Das Ärztenetz MuM – Medizin und Mehr eG aus Bünde hat sich dieser Thematik bereits vor Jahren angenommen und das existierende Konzept der ärztlichen sowie nicht ärztlichen Weiterbildung durch ein innovatives Projekt ergänzt, das auf Telemedizin für eine bessere Wundversorgung setzt. Ziel des Projekts SoMa WL ist es, ein telemedizinisch gestütztes Netzwerk aufzubauen, in dem ausgebildete Wundexperten*innen und Ärzte*innen ihre Expertise gezielt den Patienten*innen und den an der Versorgung Beteiligten zur Verfügung stellen. Damit kann das Netzwerk dem steigenden Bedarf einer qualifizierten Wundversorgung gerecht werden.
Im Rahmen des Projekts besuchen netzeigene Wundexperten*innen regelmäßig die Patienten*innen vor Ort und tauschen sich mit Fachärzten*innen des Ärztenetzwerks Medizin und Mehr eG sowie angebundenen Experten von Klinken über Videokonsultationen aus, um gemeinsam die bestmögliche Wundversorgung zu besprechen. Zum Einsatz kommt dabei das Videokonferenzsystem elVi® – Elektronische Visite. Das elVi-System wurde im Ärztenetz entwickelt und u.a. bereits erfolgreich im Rahmen des Projekts „Elektronische Visite im Pflegeheim“ eingesetzt, bei dem Haus- und Fachärzte*innen des Ärztenetzwerks MuM ihre Patienten*innen in den Pflegeeinrichtungen zusätzlich telemedizinisch visitieren.
Im Rahmen von SoMa WL wurden bereits über 170 Patienten*innen und über 300 Wunden behandelt. Bei vielen Patienten*innen konnte eine Abheilung oder eine deutliche Besserung der Wundsituation erzielt werden. Für die Patienten*innen bedeutet das eine spürbare Verbesserung ihrer Lebensqualität und ihrer gesamten gesundheitlichen Situation.
Das Projekt setzt dabei von Anfang an auf eine begleitende Evaluation, um zu prüfen, inwiefern die telemedizinisch gestützte, interdisziplinäre Wundversorgung einerseits einen medizinischen Nutzen für die Patienten*innen hat und andererseits bei den beteiligten Wundexperten*innen, Ärzten*innen und Patienten*innen auf Akzeptanz stößt. Verantwortlich für die Evaluation zeichnet sich das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin aus Bochum, das bereits die Elektronische Visite im Pflegeheim wissenschaftlich begleitet hat.
Das Projekt SoMa WL stößt auf überregionales Interesse und nahm bereits zweimal erfolgreich an Wettbewerben teil. So belegte das Projekt im Januar 2020 den 2. Platz bei der Vergabe des Telemedizinpreises der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin e. V. (DGTelemed) und im März 2020 den 2. Platz beim Preis für Gesundheitsnetzwerker.
Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie werden die Vorteile und auch die Notwendigkeit von Telemedizin in der Versorgung deutlich. Trotz reduzierter physischer Kontakte kann die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden so ortsunabhängig aufrechterhalten und gleichzeitig das Infektionsrisiko minimiert werden.