Quelle: e-health-com.de – Beim Gesundheitskongress des Westens in Köln erörteten Experten den aktuellen Stand der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern und zeigten Praxisbeispiele aus der Klinik. Dass die Krankenhäuser in Sachen KI und Big Data noch Nachholbedarf haben, stellte Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland-Hamburg, fest. Eine Grundvoraussetzung für die optimale Datennutzung sei, dass digitalisierte Datensätze vorliegen, dazu müssten die Krankenhäuser jedoch ausreichend digitalisiert sein und Daten verfügbar gemacht werden. Die AOK selbst habe eine KI bei den Abrechnungsdaten im Einsatz und die Erfahrung zeige, dass das Datengebirge wesentlich größer sein müsse, um daraus Rückschlüsse zu ziehen.
Die Konvergenz von medizinischer und technischer Entwicklung wird der Weiterentwicklung der Medizin im Allgemeinen einen enormen Schub geben, so Wältermann. Zum Stand der Digitalisierung deutscher Krankenhäuser gibt der in acht Stufen aufgeteilte EMRAM-Standard Auskunft. Dieser wurde von der AOK auf 167 Krankenhäuser angewandt. Das Ergebnis war ernüchternd: Zwei Drittel der Häuser liegen bei Stufe 0 bis 2 – eine Digitalisierung ist also so gut wie nicht vorhanden ist. Im Gegensatz dazu sind andere Länder bereits viel weiter, so haben in Dänemark die meisten Kliniken bereits Stufe 5 erreicht.
Um an dieser Stelle weiterzukommen, sind Investitionen notwendig, die jedoch angesichts des Investitionsstaus nur schwer umzusetzen sind. „Hier sind die Länder ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen“, kritisierte Wältermann. In Deutschland werden ca. 1,5 Prozent des Haushalts in den Krankenhäusern in die IT investiert. Zum Vergleich: In den Niederlanden, Schweiz oder Österreich sind es 4 Prozent, in den USA 5 bis 6 Prozent. Dänemark investiert sogar staatlich verordnete 20 Prozent in seine IT. „Hier sieht man, wie hoch der Investitionsbedarf in Deutschland ist, um die Digitalisierung voranzutreiben, und gleichzeitig muss man anerkennen, dass die bisherige Finanzierung durch die Bundesländer nicht funktioniert hat“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Darum begrüßt er das Krankenhauszukunftsgesetz mit den vorgesehenen Fördergeldern, sieht darin jedoch auch ein Eingeständnis der Politik für das vorherige Scheitern.
Wältermann bezeichnete neben notwendigen Investitionen die Erstellung von nutzbaren Datensätzen, um Behandlungserfolge zu verfolgen, als ein wichtiges Handlungsfeld. Er verwies auf Untersuchungen, die besagen, dass z.B. bei Knie-TEP und Leistenverschlüssen die meisten Komplikationen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus entstehen. Das macht Datensätze erforderlich, die nicht nur im stationären Bereich, sondern auch die ambulanten Daten unter Einhaltung der Patientensouveränität und des Datenschutzes zusammenführen. Die Überwindung von Sektorengrenzen beim Datenaustausch stehe demnach für den Vorstandsvorsitzenden als nächstes auf der Agenda. Sein Fazit: Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass vergangene Versäumnisse aufgeholt werden, dringend notwendige Investitionen getätigt werden und immer mehr digitale Lösungen und Anwendungen implementiert werden. Es gilt jedoch nun, diese Veränderungen auch mit ausreichend Nachdruck voranzutreiben.
KI und Big Data im Krankenhaus
Wie KI und Big Data in der Klinik zum Einsatz kommen kann, präsentierte Prof. Dr. Holthusen, Medizinischer Direktor bei der Knappschaft Kliniken GmbH, in Form von verschiedenen Anwendungsszenarien.
Das erste vorgestellte Projekt beschäftigt sich mit der Entdeckung von unerkannten Hepatitis-C-Infektionen aus Krankenkassen-Routinedaten. „Ich finde es beeindruckend, dass das inzwischen mithilfe von KI und Big Data möglich ist“, so Holthusen. In dem Projekt wurden sozio-medizinische Daten von 2.544 Patienten mit gesicherter HCV-Infektion aufgenommen und diese Daten in ein künstliches neuronales KI-Netzwerk in Form einer selbstorganisierenden Kohonen-Karte überführt. Diese hat im Anschluss einen Algorithmus herausgegeben, der wiederum auf die Krankenkassenroutinedaten von 1,8 Millionen Versicherten aus den Jahren 2009 bis 2014 angewandt wurde. Das Ergebnis: Der Algorithmus hat nicht nur die zum Anlernen zuvor bereits bekannten Erkrankten herausgefunden, er entdeckte darüber hinaus mehr als 2.000 Personen, bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht.
Ein weiteres Beispiel ist das Projekt USER (Umsetzung eines Sektorenübergreifenden Entlassungsmanagements mit Routinedaten), das unter der Ägide des AQUA-Instituts läuft. Teilnehmer sind neben den Knappschaft Kliniken und der Knappschaft Bahn See das deutsche Krankenhaus-Institut sowie der BKK-Dachverband. Dieses Projekt hält Holthusen für besonders vielversprechend, um es in die Regelversorgung zu bekommen. Bei USER geht es darum, aus den Routinedaten der Krankenkassen (Vorerkrankungen, Medikamente, andere Krankenhausaufenthalte usw.) bei der stationären Aufnahme eines Patienten einen Score herausgeben, der einen möglicherweise erhöhten poststationären Versorgungsbedarf anzeigt, sodass frühzeitig ein intensiveres Entlassmanagement angegangen werden kann. Der Score stammt aus einem früheren AQUA-Projekte, EMSE – dabei ging es um die Entwicklung von Methoden zur Nutzung von Routinedaten zum Entlassmanagement. USER wurde durch Corona verzögert, daher wird erst jetzt mit der Evaluierung begonnen. „Das Ganze hängt an der elektronischen Behandlungsinformation. Besonders gut finde ich, dass man die verordneten Arzneimittel, zurückliegende Erkrankungen, Namen und Kontaktdaten der behandelnden Ärzte sowie frühere Krankenhausaufenthalte der letzten zwei Jahre bereits mit der Aufnahme des Patient erfährt“, so Holthusen.
Ein anderes spannendes Projekt heißt ADAPI (Automatisierte Dokumentation des Arzt-Patienten. Dialogs) und wird in Zusammenarbeit mit der Firma Lang.tech und dem Franhofer Institut durchgeführt. Hier trägt der Arzt während des Patientengesprächs ein Mikrofon. Eine Spracherkennungssoftware filtert relevante Passagen heraus und überträgt diese automatisch in das KIS-System. Das System erkennt etwa Terminvereinbarungen, erstellt Briefe und trägt auf einer Plattform eine Nachricht an den weiterbehandelnden Arzt ein. Von solchen Lösungen verspricht sich Holthusen eine deutliche Verbesserung der Arbeitsprozesse im Krankenhaus.
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