Quelle: www.aerztezeitung.de – Der kritische Zeitpunkt für Innovationsfondsprojekte ist das Ende der Förderperiode. Das Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) könnte trotz guten Willens des Gesetzgebers am Ende kontraproduktiv wirken, glaubt ein Netzverbund.

Die Idee ist vielleicht ehrenwert, aber sie könnte ihr Ziel verfehlen: Mit dem Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) will die Bundesregierung unter anderem ermöglichen, dass Innovationsfondsprojekte nach Ende des Förderzeitraums als Selektivverträge nach Paragraf 140a fortgesetzt werden können.
Während der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands die Stärkung der Selektivverträge insgesamt begrüßt, regt sich bei anderen Verbänden und Körperschaften gegen Teile des Vorhabens Widerstand: So hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits Anfang September moniert, Systemverbesserungen, wie sie über die Innovationsfondsprojekte vorgesehen sind, sollten möglichst allen Versicherungen zugänglich sein.
Ähnlich argumentiert auch der Bundesverband Managed Care (BMC). Eine Fortführung der Projekte als Selektivvertrag könne allenfalls eine temporäre Brücke darstellen, heißt es in der Stellungnahme des Verbands.

„Beachtlicher Aufwand für die Erprobung“

Und: „Eine dauerhaft selektivvertragliche Versorgung würde nur einem Teil der Versicherten zugutekommen und den hohen Mitteleinsatz des Fonds infrage stellen. Sie ist zudem auch nicht im Sinne der Projektkonsortien, die den beachtlichen Aufwand für die Erprobung neuer Versorgungsformen nur mit Aussicht auf ihre Aufnahme in den Kollektivvertrag eingegangen sind“, so der BMC.
Eine konkrete Unterfütterung dieser Argumentation bietet jetzt das Projekt RubiN (Regional ununterbrochen betreut im Netz). „Mit dem GPVG scheitern Innovationsfondsprojekte weiter an der Überführung in die Regelversorgung“ titeln die acht beteiligten Netze in einer Mitteilung der Projektstelle.
Über das Projekt, dessen finanzielle Förderung in Höhe von acht Millionen durch den Innovationsfonds Ende des Jahres ausläuft, betreuen 25 Care- und Casemanager in fünf Regionen insgesamt 3200 Patienten im Durchschnittsalter von über 80 Jahren. 75 Prozent der Patienten haben einen hohen Betreuungsbedarf, die Manager unterstützen die Patienten dabei, im eigenen häuslichen Umfeld zu bleiben. Drei weitere Netzregionen gelten als Kontrollregion – ohne spezielle Betreuung.

Hinweise vom Hausarzt

Hinweise auf den meist erheblichen Hilfebedarf kämen von behandelnden Hausärzten, heißt es. „Gerade Corona hat uns gezeigt: Die Besuche unserer Mitarbeiter sind oft die letzten Rettungsanker, denn viele alte Menschen leben allein und isoliert“, berichtet Lysann Kasprick, Ausbilderin bei RubiN, laut Mitteilung.
Die These von RubiN: Kommen neue Selektivverträge nach GPVG zustande, könnten nur Versicherte der teilnehmenden Kassen versorgt werden und nur wenige Care- und Casemanager könnten ihre Arbeit fortsetzen.

Von der Versorgungsstruktur in die Bedeutungslosigkeit?

„Es ist sehr schade, diese regional flächendeckenden Versorgungsstrukturen durch potenzielle Selektivverträge der Bedeutungslosigkeit anheimfallen zu lassen“, wird Katja Götz, Professorin für Primärversorgungsforschung der Universität zu Lübeck, zitiert.
Bis der Gemeinsame Bundesausschuss eine Überführung der geförderten Projektstrukturen in die Regelversorgung beschließe, gingen daher mühsam aufgebaute Strukturen in der Zwischenzeit verloren – es würde damit genau das geschehen, was das Gesetz eigentlich verhindern soll.
Die beteiligten Netze haben daher eine Gesetzesinitiative gestartet, damit das Care- und Casemanagement als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen wird.