Berlin/Hagen, 15. Juni 2022 – Telemonitoring kann die medizinische Behandlung nachhaltig optimieren. Gute Praxisbeispiele gibt es genug und auch das Interesse auf ärztlicher Seite ist groß. Jetzt muss sich zeigen, ob die Rahmenbedingungen passen. Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich der diesjährige NRW-Kongress Telemedizin, der am 14. Juni 2022 unter dem Motto „Telemonitoring – zeitgemäß versorgen“ stattfand. Über 200 Personen nahmen an dem Online-Event teil, das die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin e. V. (DGTelemed) und die ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH veranstalteten.
Seit Beginn dieses Jahres ist Telemonitoring im Bereich Herzinsuffizienz als medizinische Anwendung bei Krankenkassen abrechenbar. Ein guter Anfang, aber noch längst nicht der Startschuss auch für Telemonitoring im Allgemeinen. Noch gibt es viel zu tun – darin waren sich alle Referentinnen und Referenten beim NRW-Kongress Telemedizin, moderiert durch DGTelemed-Vorstandsmitglied Annette Hempen, einig. Insbesondere müsse Telemonitoring auch bei anderen Indikationen, wie z. B. COPD oder Diabetes, abrechenbar werden. Denn Telemonitoring sei der digitale Durchbruch für die Behandlung chronischer Erkrankungen und ein Zukunftsmodell für die Hausarztpraxis im ländlichen Raum.
Gleich zu Beginn erklärte ZTG-Geschäftsführer Rainer Beckers: „Chronisch Kranke wünschen sich Sicherheit und eine verlässliche Betreuung. Dies braucht tagesaktuelle Werte vom Patienten. In der Präsenzmedizin ist so eine engmaschige Überwachung aber kaum möglich. Kritische Entwicklungen werden bei Praxisbesuchen dort eher zufällig oder eben später als möglich entdeckt.“ Die Zahl der Betroffenen von chronischen Erkrankungen sei nicht gerade gering – nahezu jeder Vierte in Deutschland. Echten gesundheitsökonomischen Nutzen könne Telemonitoring allerdings erst entwickeln, wenn es in der Fläche angeboten werde und dafür brauche es die passenden Rahmenbedingungen für die Ärztinnen und Ärzte.
Dr. med. Hans-Jürgen Beckmann, Vorstand Ärztenetz Medizin und Mehr eG (MuM) bekräftigte im Anschluss: „Ärztinnen und Ärzte tun sich teilweise schwer mit dem Einsatz von Telemonitoring, da in der Praxis noch Barrieren existieren.“ Der Zeitaufwand stehe in keinem Verhältnis zur Vergütung, Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische Fachangestellte (MFA) seien nicht richtig ausgebildet, Schnittstellen- und andere technische Probleme der Telematikinfrastruktur (TI) machten den Praxen zu schaffen. Für den Durchbruch in der ambulanten Praxis müssten all diese Probleme angepackt werden. Dabei seien viele Patientinnen und Patienten durchaus bereit, sich telemedizinisch betreuen zu lassen, was auch Dr. med. Jan Anastassis Skuras, Hausarzt, Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin, Hypertensiologie, in Niederwiesa-Lichtenwalde, im Anschluss bestätigte. Gerade ältere Menschen seien begeistert von den neuen Versorgungsangeboten durch Telemedizin. Mit dem Blick auf eine alternde Gesellschaft sei Telemedizin in ländlichen Gebieten unerlässlich.
Dr. med. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverband Nordrhein bekräftigte: „Wir haben immer weniger Hausärzte und medizinisches Personal. Die zu behandelnden Patienten werden aber immer mehr. Viele von ihnen müssen wir häuslich betreuen, weil sie pflegebedürftig sind und nicht mehr in die Praxis kommen können. Um diesen Problemen zu begegnen, brauchen wir telemedizinische Anbindungen z. B. über Devices, mit denen wir unsere Patienten monitoren können. Der Weg in eine telemedizinische Versorgung ist unausweichlich.“ Telemedizin und Telemonitoring seien die Zukunft für die Versorgung einer Hausarztpraxis.
Der Bereich Herzinsuffizienz zeigt bereits, wie gut Telemonitoring hilft. So macht man am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen sehr gute Erfahrungen mit Telemonitoring bei Herzinsuffizienz. Hier bringe die telemedizinische Betreuung für die Patientinnen und Patienten große Erfolge, erläuterte Dr. Karin Overlack, Geschäftsführerin Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in ihrem Vortrag. „Es gibt mittlerweile einen ganzen Blumenstrauß an Studien, der das beweist. Man sieht, dass bei Patientinnen und Patienten die Mortalität deutlich reduziert werden kann. Die Hospitalisierungen reduzieren sich und dadurch auch die Behandlungskosten.“
Raus aus dem „Kuddel-Muddel“, klare Richtlinien und Vergütungsstrukturen. Viele Ärztinnen und Ärzte wollen die Möglichkeiten des Telemonitorings ausschöpfen, aber sie brauchen Unterstützung. Ideen und Wünsche zur Umsetzung gab es sowohl auf Seiten der Referentinnen und Referenten als auch aus dem Publikum. Moderatorin Annette Hempen, Vorstandsmitglied der DGTelemed, fragte alle Beteiligten nach ihren Vorstellungen dazu. Und es zeigte sich: Für eine zukunftsfähige Versorgung braucht es Telemedizin und Telemonitoring. Dafür müssen die Strukturen stimmen. Dementsprechend schloss Univ.-Prof. Dr. med. Gernot Marx, FRCA, Vorstandsvorsitzender der DGTelemed, Direktor der Klinik für operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen und Sprecher des Vorstandes des IZDM den NRW-Kongress Telemedizin mit den Worten: „Wir müssen den Zugang zu Telemedizin erleichtern. Nicht nur um die Versorgung aufrecht zu erhalten, sondern sie auch zu verbessern. Wir sind auf einem guten, gemeinsamen Weg, aber wir müssen unsere Bemühungen noch weiter intensivieren, um unsere Ziele zu erreichen.“
Die gesamte Aufzeichnung des NRW-Kongresses Telemedizin finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=-l2M0wft3F0&t=30s
Bild: ZTG