Bochum/Düsseldorf, 16. September 2021 – Der von der ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH in Kooperation mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen veranstaltete digitale Fachkongress „eHealth.NRW – Das digitale Gesundheitswesen“ führte die aktuelle Debatte um die Digitalisierung des Gesundheitswesens am 14. September 2021 mit hochkarätigen Expertinnen und Experten fort. Auf der Agenda standen das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen (VKh.NRW), Telemonitoring und das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR). Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, eröffnete den Kongress mit deutlichen Worten.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, eröffnete den Kongress mit einer Videobotschaft. (Bild: ZTG GmbH)

„Wir haben während der Pandemie gesehen, dass das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen eine gute Idee ist. Spezialisten in Schwerpunktkliniken haben mit Ärztinnen und Ärzten aus anderen Krankenhäusern zusammengearbeitet und dadurch sind in NRW manche Verlegungen von schwer erkrankten Menschen nicht notwendig geworden. Die Digitalisierung wird einen riesigen Beitrag für die sektorübergreifende Versorgung leisten. Sie wird Versorgungsgrenzen sprengen und auflösen“, so begrüßte Minister Laumann die Teilnehmenden des digitalen Formats. Er hatte noch vor der Pandemie die Initialzündung für das VKh.NRW gegeben, das dann Ende März 2020 in einer Vorstufe startete, um speziell schwer an COVID erkrankte Menschen zu behandeln.

Nadja Pecquet, Geschäftsführerin der Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH, sprach im Anschluss über die Zielsetzung und Vorgehensweise der bisher in Deutschland einmaligen Initiative: „Wir wollen mit telekonsiliarischer Beratung zwischen Ärztinnen und Ärzten Unterstützung bieten in ganz besonders komplexen Behandlungsfällen. Stellen Sie sich das Virtuelle Krankenhaus als Navigationssystem vor – ein technisches Hilfsmittel, das Sie dabei unterstützt, den Weg zur bestmöglichen Versorgung zu finden.“ Was zunächst hauptsächlich auf die Intensivmedizin konzentriert war, soll künftig ausgebaut werden in Richtung einer flächendeckenden telemedizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen. Im Herbst 2021 soll die Pilotphase des VKh.NRW starten. Dann wird das Angebot auf die Indikationsfelder Infektiologie, Herzinsuffizienz, Lebertumore und Seltene Erkrankungen ausgeweitet. „Wir setzen auf kontinuierliches Nutzerfeedback im Rahmen der Pilotphase und wollen ganz nah an der Praxis sein mit unseren Angeboten. Die Pilotphase wird wissenschaftlich evaluiert werden, um die Prozesse konsequent an der Praxis orientieren zu können und einen Nutzen zu generieren“, so Pecquet.

Nadja Pecquet, Geschäftsführerin der Virtuelles Krankenhaus gGmbH, stellte den Nutzen der Initiative vor. (Bild: ZTG GmbH)

Die daran anknüpfende Diskussionsrunde beleuchtete den Start der Pilotphase mit den neu geplanten Angeboten genauer und ließ vor allem auch Mediziner zu Wort kommen bezüglich ihrer Intention, sich dem Netzwerk vom VKh.NRW anzuschließen. Prof. Dr. med. Gernot Marx, FRCA, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen, Mitglied im Forum Telemedizin der ZTG GmbH, und Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), gab einen aktuellen Überblick über Behandlungsdaten der Vorstufe: Demnach konnten durch das strukturierte und vernetzte Zusammenarbeiten medizinischer Expertinnen und Experten bislang rund 470 Personen mit COVID-19 behandelt werden, davon fielen im Schnitt sechs bis sieben Televisiten pro Patient an. Insgesamt haben sich mittlerweile etwa 140 Krankenhäuser an das Netzwerk angeschlossen. „Für uns ein erfolgreicher Weg, der an Fahrt aufnimmt“, so Marx. Dr. med. Daniel Dumitrescu, Oberarzt der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen, sprach sich ebenfalls für die Initiative aus: „Bei schwer erkrankten Menschen (…) ist es enorm wichtig, interdisziplinär zu kommunizieren, um die Diagnostik und Prognose der Patienten deutlich zu verbessern. Expertenwissen außerhalb der Klinikmauern und Beratung zeitnah zu implementieren, ist ein großer Gewinn.“ Prof. Dr. med. Ulf Peter Neumann, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, bekräftigte: „Ich glaube, dieser strukturierte Prozess mit der beidseitigen Diskussion der Fälle ist für alle Seiten hilfreich und wird dazu führen, dass noch weniger Patienten verwiesen werden müssen und besser lokal behandelt werden können.“

V.l.n.r: Prof. Dr. med. Ulf Peter Neumann (Uniklinik RWTH Aachen), Dr. med. Daniel Dumitrescu (Herz- und Diabeteszentrum NRW), Günter van Aalst (stv. ZTG-Aufsichtsratsvorsitzender) und Nadja Pecquet (Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH) diskutierten über den Nutzen von Telekonsilen und den Start der Pilotphase des VKh.NRW im Herbst 2021. (Bild: ZTG GmbH)

NRW goes Telemonitoring

Den zweiten Themenblock startete Kai-Roland Heidenreich, Erster Vorsitzender der DCFH – Deutsche CF-Hilfe, Unterstützung für Menschen mit Mukoviszidose e. V., mit einer flammenden Rede, in der er verdeutlichte, wie nützlich der Einsatz von Telemonitoring für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose sein kann. Die Expertise aus der Ferne sei von großer Bedeutung, nicht nur, um Kosten bei der Medikation einzusparen, sondern auch, um maßgeschneidert individuell abzuklären, welche Dosis pro Patienten benötigt werde, so Heidenreich. So könnten jährlich Millionen Euro eingespart werden. Doch wie kann es gelingen, die Hürden, die Telemonitoring auf dem Weg in die Regelversorgung noch immer zu nehmen hat, zu bewältigen? Dieser Frage widmete sich ZTG-Geschäftsführer Rainer Beckers im Anschluss. Für ihn steht fest: „Vertrauen schaffen und gemeinsam an der Implementierung von Telemonitoring im Versorgungsalltag in regionalen Netzwerken arbeiten, das ist das Ziel.“ Und weiter: „Gute Distanzmedizin braucht Nähe. Flächendeckende Telemedizin erreicht man nur, wenn man sich kennt. Umso wichtiger ist es, dass Prozesse miteinander abgestimmt werden. Richtig positive Effekte wird man erst dann erzielen können, wenn Telemonitoring Bestandteil eines intersektoralen und interdisziplinären therapeutischen Ansatzes werden kann. In NRW haben wir dafür die besten Voraussetzungen“. Dass Telemonitoring noch einen weiten Weg vor sich hat, darüber waren sich alle, die an der anschließenden Diskussionsrunde teilnahmen, einig. Der Prozess habe durch Corona erst begonnen, stärker wahrgenommen zu werden. Nun sei es an der Zeit, die nötigen Impulse zu setzen und offene Fragen zu beantworten. Dabei gebe es vor allem in der praktischen Umsetzung noch viel zu tun, so Beckers.

NRW goes Telematikinfrastruktur

Damit telemedizinische Anwendungen flächendeckend genutzt werden können, ist die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) erforderlich. Stephan Pohlkamp, Referent im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, gab deshalb einen Überblick über den aktuellen Stand der Entwicklungen zum elektronischen Gesundheitsberuferegister (eGBR). Nicht nur die Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten sollen an die TI angeschlossen werden, sondern neben Kliniken und Apotheken auch die Gesundheitsfachberufe. Dafür brauchen Mitglieder dieser Berufsgruppe sowohl die „Secure Module Card – Betriebsstätte“ (SMC-B), auch elektronischer Praxisausweis genannt, als auch den persönlichen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA). Für alle nicht verkammerten Berufe werde künftig das eGBR mit Sitz in Münster als gemeinsame Stelle aller Länder bundesweit diese Dokumente ausstellen, sagte Pohlkamp. Der Aufbau laufe derzeit bereits auf Hochtouren. „Im Herbst soll das eGBR voraussichtlich den Pilotbetrieb aufnehmen, zunächst für die drei Start-Berufsgruppen Pflege, Hebammen und Physiotherapie. Der Start des Regelbetriebs ist für Anfang 2022 avisiert“, sagte Pohlkamp. „Wir achten darauf, dass das Antragsverfahren für die Antragsstellerinnen und Antragssteller möglichst einfach und transparent zu handhaben ist. Es wird voll digital laufen“.

Stephan Pohlkamp vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, gab einen Überblick über das eGBR, das schon im Herbst in die Pilotphase gehen soll. (Bild: ZTG GmbH)

Wie das neue digitale Verfahren den Berufsalltag erleichtern kann, berichtete Andreas Pfeiffer, Sprecher des eGBR-Fachbeirats, Vorsitzender des Deutschen Verbandes Ergotherapie e. V. (DVE) sowie Vorsitzender des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände e. V. So sei es für ihn als Ergotherapeut von Vorteil für die Therapie, wenn bereits im Vorfeld mehr medizinische Daten, beispielsweise zur Medikation der Patientinnen und Patienten, für den behandelnden Arzt bzw. die Ärztin zur Verfügung stünden. So könnten Nebenwirkungen von Symptomen leichter unterschieden werden, so Pfeiffer. Auch die dadurch entstehende Zeitersparnis sei ein erheblicher Zugewinn für die Versorgungsqualität, da mehr Zeit für die Versorgung bliebe.

Die Zukunft des Gesundheitswesens kann und sollte digital sein, so das Fazit des Kongresstages. Doch das kann nur gemeinsam gehen. Dr. Michael Schwarzenau, Aufsichtsratsvorsitzender der ZTG GmbH und Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe, betonte in seinem abschließenden Statement: „Wir brauchen Strukturen, damit wir digitale Möglichkeiten flächendeckend einsetzen können. Die Dialoge darum führen wir nicht zum Selbstzweck, sondern wollen die gesundheitliche Versorgung mit sektorübergreifender Zusammenarbeit voranbringen und mit Hinblick auf den strukturellen Wandel zukunftsfähig gestalten. Dabei sind wir auf mehr Zusammenarbeit angewiesen.“

Den kompletten Video-Stream zum Kongress finden Sie hier.